„Heimkehren“ von Yaa Gyasi

Heimkehren
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„Heimkehren“ von  Yaa Gyasi ist das beste Buch, das ich seit langer Zeit gelesen (okay, ehrlich gesagt: gehört) habe, rückblickend vielleicht sogar mein Buch des Jahres 2017.

Ausgehend von den zwei Halbschwestern Effia und Esi erzählt die Autorin darin die Geschichte einer afro-amerikanischen Familiendynastie. Beide Frauen kommen im 18. Jahrhundert an der westafrikanischen Goldküste, einer britischen Kronkolonie, zur Welt – heute gehört die Region zu Ghana. Effia heiratet einen Engländer und bleibt in Afrika. Esi wird versklavt und landet in Amerika.

Die Menschen hinter dem Stammbaum

Der Roman umspannt drei Jahrhunderte und Generationen, er lässt uns das große Ganze sehen und zeigt doch die Details: Wir verfolgen den Stammbaum, das Werden dieser Familie über Jahrzehnte hinweg; wir erleben, welche Auswirkungen Kolonial- und Rassenpolitik auf die „einfachen Leute“ haben. Und wir lernen zugleich in immer neuen und abgeschlossenen Episoden die Menschen hinter diesem Stammbaum aus nächster Nähe kennen: die Krieger und die Geschlagenen, die Träumer und die starken Mütter, die Ausgebeuteten und die, deren Haut ein wenig heller ist als gewöhnlich, deren Leben (in Amerika) ungleich leichter ist.

Wir werden vor allem auch Zeuge von niederschmetterndem Rassismus, immer wieder, viel zu lange, viel zu oft. Denn wer das Buch heute liest, liest es auch als Kommentar zur Rassismus-Debatte in Amerika. Yaa Gyasi hält nicht hinterm Berg damit, dass Diskriminierung für sie kein Thema einer vergangenen Epoche ist, sondern ein sehr aktuelles Problem der amerikanischen Gesellschaft, wo sie letztlich ihre beiden Handlungsstränge wieder zusammenführt.

Gyasi schafft in ihrem Erstling ein üppiges Ensemble von Protagonisten, die man nicht leicht vergisst; viele ihrer Episoden haben den geschlossenen Charakter von Kurzgeschichten, treiben aber die Handlung und vor allem den Gang durch die Zeit stetig voran.  Sehr hilfreich für die Lektüre (das Hörbuch wurde mit mehreren Sprechern aufwendig und sehr gut umgesetzt)  ist übrigens ein Stammbaum, wie ihn der amerikanische Verlag Doubleday online gestellt hat.

„Heimkehren“ ist eines jener Bücher, die leisten, was wir selbst nicht können: Es zeigt einen Blickwinkel, der uns im eigenen Leben verwehrt ist. Yaa Gyasi schwingt sich weit über unser beschränktes Dasein auf und macht Zusammenhänge sichtbar; sie zeigt, wie viel noch der kleinste Zufall mitbestimmt, was uns ausmacht. Und wie Zufälle, die vor Generationen passiert sind, die Weichen gestellt haben für das, was heute ist.

 

Yya Gyasi:  „Heimkehren“,  übersetzt von Anette Grube, DuMont Buchverlag Köln, 2017.  416 Seiten, 22 Euro

 

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3 Gedanken zu “„Heimkehren“ von Yaa Gyasi

  1. Dieses Buch habe ich auch schon seit einiger Zeit im Auge und ich freue mich zu hören, dass es dir so gut gefallen hat. Nachdem ich das Sachbuch ,,Gebrandmarkt“ von Kendi gelesen hatte, habe ich ein wenig zu stöbern begonnen und bin so auf ,,Heimkehren“ aufmerksam geworden. ,,Gebrandmarkt“ kann ich sehr empfehlen – eine verständliche und aufrüttelnde Geschichte des Rassismus in Amerika.
    Viele Grüße
    Jana

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