Ein Tag mit Michael Patrick „Paddy“ Kelly

Michael Patrick Kelly war in Aschaffenburg zu Gast.
Michael Patrick Kelly war in Aschaffenburg zu Gast.

Sätze, von denen man auch nicht gedacht hätte, dass man sie mal schreiben würde: Diese Woche hat mich Paddy Kelly schwer beschäftigt – und ehrlich beeindruckt.

Paddy Kelly, das war der ältere der beiden Jungs der Kelly-Family, die in meiner Jugend immer so hartnäckig auf dem Bravo-Cover geklebt haben. Paddy nennt sich heute Michael Patrick Kelly, denn er ist erwachsen geworden und will daran keinen Zweifel lassen. Er hat ein Konzert in Aschaffenburg gegeben und ich war morgens dort, um die campierenden Fans vorm Colos-Saal zu treffen, am frühen Abend zum Interview mit Kelly, natürlich zum pickepacke ausverkauften Konzert –  und hinterher,  als sich diese Leere breitgemacht hat, die man fast mit Händen greifen konnte und manche Leute einfach nicht heimgehen wollten.

Ich war niemals Fan der Kelly-Family, auch kein Kelly-Hasser – und das, obwohl es schwer war, in den Neunzigern den Kellys gegenüber neutral zu bleiben. Vielleicht hat mich dieser Tag deshalb  so fasziniert, vielleicht muss ich deshalb etwas darüber schreiben, ganz persönlich.

Ich habe den Hype um die Kelly-Family nie erlebt – ich habe nicht damit gerechnet, dass es ihn noch gibt. Ich wusste auch bis vor wenigen Tagen nicht, dass Paddy Kelly, Jahrgang 1977, diesen Hype nicht mehr ertragen hat und Anfang der 2000er-Jahre für sechs Jahre im Kloster verschwand. Sechs Jahre! Wer sowas tut, meint es ernst mit Gott, und genau diesen Eindruck hat Kelly auch am Donnerstag auf mich gemacht. Nicht im schlechten Sinne übrigens.

Und doch so im Zentrum der Aufmerksamkeit

Die ganze Zeit versuche ich mir vorzustellen, wie das gewesen sein mag:  Nie zur Schule zu gehen, so abseits aller Normen zu leben – erst auf der Straße, später im Schloss. Immer irgendwie isoliert, nerdig würde man wahrscheinlich heute sagen, und doch so im Zentrum der Aufmerksamkeit. Kelly hat im Gespräch auch den Druck erwähnt, den er sich in der Band mit seinen Geschwistern zumindest teilen konnte. Druck, das hat man ja als Laie so gut wie gar nicht auf dem Schirm, wenn man ans Showbusiness denkt: Aber der Erfolg ist ein Muss, an dem die Jobs anderer Menschen hängen.

Und dann eben der Erfolg, diese unglaubliche Hysterie – ich erinnere mich auch an den Spott.  Aber vor allem dieses Angebetet werden von so vielen Mädels – solange, bis man irgendwann Symbolfigur eines ganzen Jahrzehnts ist. Was macht das mit einem Menschen?

Keine Ahnung.

Michael Patrick Kelly fühlte sich leer. „Und diese Leere war ein echtes Seelenleid“, sagt er.  Er habe die Stille gesucht und hinter Klostermauern gefunden. Kelly hat das Kloster wieder verlassen als die Entscheidung anstand, sich lebenslang zu verpflichten. Er habe wieder Musik machen wollen, sagt er. Er sehe das jetzt so: Gott hat ihm Talente gegeben, damit er sie nutzt. Das halte ich für eine sehr einleuchtende Begründung, zurück auf die Bühne zu gehen.

Denn Kellys großes Talent ist die Musik. Ob man diese Musik mag oder nicht, das kann jeder für sich entscheiden. (Ich war sehr positiv überrascht.) Aber selten habe ich ein Konzert erlebt, bei dem das Publikum so mitgeht, so bei der Sache ist und so begeistert. Das hatte in sich schon fast etwas Religiöses; noch so ein Faszinosum dieses Abends. Menschen so zu erreichen ist ein Wert per se. Ich habe noch nicht völlig verstanden, wie und warum Kelly das schafft, aber er schafft es. Und vielleicht ist seine Geschichte die: du kannst alles schaffen. Sogar dein Leben komplett ändern.

„Ich glaube, dass wir Menschen zum Glücklichsein geschaffen wurden.“

Michael Patrick Kelly

Direkt vor dem Konzert haben wir mit Kelly über Gott gesprochen und er hat von einem durch und durch positiven Gottesbild erzählt. „Für mich ist Gläubigsein nicht steif und verkrampft“, sagt er, im Gegenteil:  „Ich glaube, dass wir Menschen zum Glücklichsein geschaffen wurden“. Auch Party machen gehört demnach zum Menschsein, und ein Konzert ist für ihn eine „Celebration of Life“. Deshalb sei seine neue Innerlichkeit auch kein wirklicher Gegensatz zum scheinbar oberflächlichen Popkonzert. Er versucht beides in Einklang zu bringen; packt sein Menschenbild, auch seinen Glauben, in die Texte seiner Musik. Und er integriert eine Schweigeminute in seinen Auftritt. Eine echte: Ich habe den vollen Colos-Saal noch nie so still erlebt. Ein krasser Moment.

Michael Patrick Kelly ist Medienprofi und ich versuche das im Kopf zu behalten – aber ich hatte in dem kurzen Gespräch mit ihm tatsächlich das Gefühl, dass es nicht nur Interview, sondern auch eine Begegnung war. Klar haben wir im Namen aller Kelly-fernen Leser Fragen gestellt, die in jedem Interview gestellt werden – und er hat die Antworten gegeben, die er auf Wiedervorlage abgelegt hat. Aber er hat mir auch den Eindruck vermittelt, dass er sich wirklich Gedanken über die Fragen gemacht hat, die wahrscheinlich jeden Menschen irgendwann und irgendwie beschäftigen. Ich wollte einen Musiker sprechen – und habe einen Mann mit einer Botschaft  getroffen, einen Philosophen vielleicht auch.

Den Nerv der Zeit treffen

Kelly will auf die Bühne: Er wolle Menschen mit seiner Kunst erreichen, sagt er, den Nerv der Zeit treffen. Aber er kämpft wohl auch mit den Geistern, die er rief. Den Fankult um seine Person lehnt er ab – keine Autogramme, Fotos mit Fans aus Sicht der Fans nicht oft genug. „Verehrung mag ich nicht“, sagt er und klingt dabei freundlich, aufgeräumt, klarsichtig.

Ich finde das einfach nur konsequent. Wahrscheinlich ist ein Michael Patrick Kelly darüber hinweg, es allen recht machen zu müssen. Seine ganze Religiosität, der Weg, der hinter ihm liegt: alles wäre eine Farce, wenn er sich jetzt wieder im Ruhm suhlen würde. Ich verstehe, dass er den Hype nicht will, dass so ein Hype nicht gesund sein kann. Ich verstehe nach diesem Donnerstag aber auch, warum Menschen so fasziniert sind von diesem Michael Patrick Kelly.

Es sind ja die Dilemmata, die einen beschäftigen.

 

Mehr Michael Patrick Kelly? -> Hier geht’s zum neuen Album „iD“


11 Gedanken zu “Ein Tag mit Michael Patrick „Paddy“ Kelly

  1. Supergenial geschrieben. Wirklich ein großes großes Lob. Ich habe Gänsehaut bekommen beim Lesen. Und es ist schön, dass auch jemand Ausstehendes uns Fans mal verstehen kann, dass man in diesen Kelly-Bann gezogen wird und ab dann für immer davon fasziniert sein wird.

    Gefällt 1 Person

Lass einen Kommentar da

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..